Vorwort

Sie brennen darauf, wilde Tiere aufzuspüren und sie in lebendigen Bildern festzuhalten? Oder urwüchsige Landstriche mit ihrer vielfältigen Flora zu porträtieren? Dann werden Sie in der Naturfotoschule bestimmt eine Menge nützlicher Informationen und Anregungen finden. Doch seien Sie gewarnt: Um solche Fotos zu schiessen, wie sie in diesem Buch enthalten sind, braucht es viel Geduld und Erfahrung. Diese beiden Dinge kann man nicht einfach im Laden kaufen wie ein Objektiv oder eine Kamera. Wer in der Naturfotografie etwas erreichen will, muss eine Menge Zeit investieren und auch manchen Misserfolg einstecken. Nur ganz selten lässt sich die Natur so bereitwillig von ihrer Schokoladenseite ablichten wie etwa ein Modell im Fotostudio. Gerade die vielen Unwägbarkeiten, die flüchtigen Augenblicke der Harmonie oder des Dramas machen jedoch oft den Reiz der Fotografie in der freien Natur aus. Egal, wie lange man sich schon damit beschäftigt, man kann immer wieder etwas Neues dazulernen.

Lassen Sie sich von der bunten Vielfalt der natürlichen Dinge inspirieren, die Sie fast ständig durchs Leben begleitet! Suchen Sie zuerst vor der eigenen Haustür nach Motiven, bevor Sie nach Afrika oder sonstwohin reisen. Zugegeben, der Reiz des Neuen ist oft ein besonderer Ansporn für grosse Taten. Oft aber folgt auf eine übereilte Fotosafari eine ziemliche Ernüchterung beim späteren Betrachten der Bildausbeute. Denn für die Qualität der Fotos ist es völlig unerheblich, wie weit man dafür gereist ist oder wie selten die fotografierten Motive sind. Weit mehr Bedeutung kommt der Art und Weise zu, wie eine gegebene Szene interpretiert und wie gekonnt die jeweilige «Vision» schliesslich auf den Film gebannt wird. Diese beiden Fertigkeiten übt man am besten erst einmal zu Hause. Wer nach einer gründlichen Vorbereitung wirklich alles im Griff hat, kann schliesslich immer noch auf Reisen gehen – und zwar mit erheblich besseren Erfolgsaussichten.

Achten Sie deshalb beim Betrachten der Abbildungen in diesem Buch nicht zu sehr darauf, welche (teils exotischen) Motive abgebildet sind, sondern vielmehr wodurch deren Formen und Farben auf dem Foto ihre besondere Wirkung erlangen. Wird zum Beispiel ein Körper oder eine Struktur durch hartes Seitenlicht modelliert? Beruhen die fein nuancierten Farbtöne einer Aufnahme auf der gleichmässigen, diffusen Beleuchtung? Hat der Fotograf das Motiv durch einen engen Bildausschnitt und einen unscharfen Hintergrund zur dramatischen Quintessenz verdichtet? Oder wurde das Umfeld bewusst in die Gestaltung miteinbezogen, um den Charakter des Lebensraumes zu verdeutlichen? In solchen Details liegt der Schlüssel zu Ihrem Erfolg! Bewusstes Vorgehen braucht es allerdings nicht nur in Sachen Bildgestaltung. Schon der blosse Umgang mit der Natur verlangt Respekt und eine gewisse Sachkenntnis. Denn der Schutz unserer Umwelt ist schliesslich ein vorrangiges Anliegen. Fotografen und Filmer können mit eindrücklichen Bildern massgeblich zur Verbreitung dieses Gedankens beitragen. Doch ebenso können sie durch eigennütziges, zuweilen geradezu schonungsloses Verhalten beträchtlichen Schaden an der Natur anrichten. Ungeübte Fotografen sind für die Umwelt ein relativ grosser Störfaktor, weil sie in wachsender Zahl auch in bisher von der Zivilisation weitgehend verschonte Refugien vordringen und sich dort mitunter wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen benehmen. Die meisten nachteiligen Auswirkungen auf Lebensräume und ihre Bewohner lassen sich jedoch durch eine umsichtige Planung und rücksichtsvolles Arbeiten vermeiden. Deshalb enthält dieses Buch nicht nur eine Anleitung zum besseren Fotografieren, sondern immer wieder auch Hinweise zum schonenden und respektvollen Umgang mit der Natur.